Vergaberecht in Zeiten der „Corona-Krise“

In Zeiten von Krisen wird das geltende Vergaberecht, mehr als ohnehin schon, als Bremsklotz für schnelle Beschaffungen angesehen. Dabei gibt es jedoch bereits jetzt Möglichkeiten für öffentliche Auftraggeber für die Durchführung von beschleunigten Vergabeverfahren.

I. Regelfristen verkürzen

Bei einer „hinreichend begründeten Dringlichkeit“ können auch bei EU-weiten Vergaben von Liefer- und Dienstleistungen die vorgesehenen Regelfristen verkürzt werden. Es ist eine Verkürzung auf bis zu 15 Tage ab Absendung der Auftragsbekanntmachung möglich. Für diese Verkürzung der regelmäßigen Mindestfristen müssen objektive Gründe vorliegen, die es dem Auftraggeber unmöglich machen die Regelfrist einzuhalten. Dies liegt natürlich immer vor, wenn es zu einer Gefährdung der Versorgung medizinischer Einrichtungen mit der notwendigen Ausrüstung kommen würde.

Inwieweit die Versäumnisse des öffentlichen Auftraggebers zur Notwendigkeit der Unterschreitung der Regelfristen zu berücksichtigen ist, ist umstritten. Man wird jedoch gut vertreten können, dass dies offenbleiben kann, wenn der Bedarf jedenfalls auf der unerwartet gesteigerten Nachfrage von bspw. Schutzausrüstung beruht und nur hintergründig die Mängel auf Seiten des Auftraggebers liegen.

II. Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb möglich?

Wenn der öffentliche Auftraggeber die Vergabe noch schneller durchführen möchte, muss geprüft werden, ob die Voraussetzungen vorliegen ein Fahndungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb durchzuführen. Diese Verfahrensart sieht keine vorherige EU-weite Bekanntmachung der Beschaffungsabsicht vor. Dieses Verfahren schränkt den Wettbewerb erheblich ein, so dass dieses Verfahren nur bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 14 Abs. 4 VgV angewendet werden kann. Dabei müssen die Ausnahmetatbestände eng ausgelegt werden.

Beispielsweise kommt dieses Verfahren in Betracht, wenn zwingende Gründe im Zusammenhang mit Ereignissen vorliegen, die der öffentliche Auftraggeber nicht vorhersehen konnte und diese Gründe es nicht zulassen, dass die Mindestfristen für die Durchführung des Vergabeverfahrens eingehalten werden können. Es muss eine Abwägung des Auftraggebers stattfinden, in dem die bedrohten Rechtsgüter einerseits und vergaberechtliche Pflichten gegeneinander abgewogen werden. Dieser Abwägungsprozess muss von den öffentlichen Auftraggebern dokumentiert werden. Wenn besonders hochrangige Rechtsgüter, wie das Leben und die körperliche Unversehrtheit, betroffen sind und deren Beeinträchtigung droht, wird man regelmäßig annehmen, dass diese Rechtsgüter gegenüber den vergaberechtlichen Vorschriften vorrangig sind. Diese eingetretene Notlage muss unvorhersehbar gewesen sein. Dies ist bei der jetzigen Pandemie der Fall.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat am 19.3.2020 ein Rundschreiben zur Anwendung des Vergaberechts im Zusammenhang mit der Beschaffung von Leistungen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus versandt. In dem Rundschreiben werden wichtige Auslegungs- und Anwendungshilfen zur Dringlichkeitsvergabe gemacht.

Das BMWi interpretiert in dem Rundschreiben die Möglichkeiten von Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb und gibt Auslegungshilfen der jeweilig in Betracht kommenden Vorschriften aus dem Vergaberecht. Aufträge sollen danach zügig vergeben und ausgeführt werden.

Wie bereits oben dargestellt, in Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb, kürzeste Fristen sowie die Direktansprache eines Unternehmens in Betracht.

Bei Bedarf sprechen Sie uns gerne, dann werden wir Ihnen das entsprechende Rundschreiben zur Verfügung stellen.

III. Interimsvergaben zur temporären Deckung des Beschaffungsbedarfs

Bei Interimsvergaben handelt es sich um Aufträge, die direkt vergeben werden, um bis zum frühestmöglichen Abschluss des vergaberechtlichen vorgeschriebenen Verfahrens den Beschaffungsbedarf zu decken. Mit den Interimsvergaben  sollen Engpässe überbrückt werden bis zeitgleich ein reguläres Vergabeverfahren durchgeführt und abgeschlossen werden kann. Bei der Interimsvergabe handelt es sich daher also nicht um ein Verfahren, um den Bedarf dauerhaft zu decken.

Diese Interimsvergaben sind nicht ausdrücklich geregelt aber von der Rechtsprechung für bestimmte Notsituation anerkannt.

Bei Fragen hierzu stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.